Stadt Wasserburg am Inn

Seitenbereiche

Volltextsuche

Willkommen bei uns
in Wasserburg am Inn !

Seiteninhalt

Aktuelle Meldungen

Winterliche Idylle und normiertes Gesellschaftsbild seiner Zeit

[Artikel vom 20.12.2024]

Schulwandbild
Schulwandbild "Winter - Wiese", aus: Serie "Meinholds Bilder für den Anschauungsunterricht", Verlag C. C. Meinhold & Söhne Dresden, um 1903, Lithografie auf Karton, 89 x 64 cm © Museum Wasserburg.

Schulwandbild „Winter – Wiese“ Objekt des Monats Januar im Museum Wasserburg

Das Schulwandbild erlebte seine Blütezeit um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert – dabei fungierte es nicht nur als innovatives Lehrmittel, sondern vermittelte auch die gesellschaftlichen Werte- und Normvorstellungen zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs.

In einer hügeligen verschneiten Winterlandschaft spielen sich verschiedene Szenen des ländlichen Lebens ab. Im Zentrum befindet sich ein Fachwerkhaus, aus dessen Schornstein Rauch steigt. Das angrenzende Scheunengebäude wird von einem vereisten Mühlrad und dicken mit Schnee überzogenen Baumstämmen flankiert. Um die Hofstelle herum gehen Menschen ihren Tätigkeiten nach. So streut eine junge Frau Futter für die herbeifliegenden Vögel aus. Eine weitere, ältere trägt ein schweres Reisigbündel auf dem gebeugten Rücken heran. Im Bildervordergrund sind vier Kinder mit dem Bau eines Schneemanns beschäftigt, ein anderes fährt mit dem Schlitten einen Hügel hinab. Im Hintergrund laufen zwei jugendliche Personen auf einem zugefrorenen Gewässer Schlittschuh, eine ist soeben gestürzt und streckt beide Beine in die Höhe.
 
Die Darstellung der winterlichen Landszenerie – zu sehen im Raum der Schule im 1. Obergeschoss des Museums Wasserburg – entstammt der Serie „Meinholds Bilder aus dem Anschauungsunterricht“ aus dem Dresdner Verlag C. C. Meinhold & Söhne, erschienen um 1903. Unter der Kategorie „Winter – Wiese“ sollten den Schülerinnen und Schülern mit Hilfe der visuellen Veranschaulichung unterrichtsrelevante Themen nähergebracht werden. Ursprünglich aus vergrößerten Schulbuchillustrationen hervorgegangen, entwickelten sich ab etwa der 1870er Jahre solche sogenannten Schulwandbilder als eigenes Medium für den Unterricht. Begünstigt durch die verbesserten Möglichkeiten der Lithografie erfolgte die Veröffentlichung durch verschiedene Verlage – oft in einer Serie von mehreren thematisch zusammengehörigen Szenen- und Gruppenbildern.
 
Vorwiegend in der ersten und zweiten Jahrgangsstufe der Volksschulen eingesetzt, erforderten die Schulwandbilder einen bestimmten Bild- als auch Medientypus. So sind die Tafeln zumeist groß und farblich schön gestaltet. Die Darstellungen sind naturalistisch als auch anschaulich-strukturiert gezeichnet. Dabei wurde vermehrt Wert auf eine künstlerisch anspruchsvolle Bildproduktion gelegt und die Tafeln dienten ebenfalls als Wandschmuck für das Schulhaus und Klassenzimmer. Des Weiteren konnte man die einzelnen Bilder zur Vermittlung unterschiedlichster Themenkomplexe heranziehen, so dass sie im Zusammenspiel den gesamten Unterrichtsstoff abdeckten. Ziel war es dabei nicht nur den Schülerinnen und Schülern inhaltliches Wissen sowie Lese- und Schreibkompetenzen zu lehren, sondern zudem ihre sprachlichen Fähigkeiten zu fördern und das vorherrschende Gesellschaftsbild mit seinen gesetzten Werten im Gedankengut der Kinder nachhaltig zu stärken.
 
Ihre Blütezeit erlebten die Schulwandbilder im Zeitraum zwischen 1880 und 1920. Sie wurden allerdings noch bis um die 1980er Jahre produziert und neben Fotografie-, Dia-, Film- und Overheadprojektionen im Unterricht eingesetzt. Mit der fortschreitenden Digitalisierung wurde ihr Einsatz als Lehrmittel jedoch spätestens um das Jahr 2000 eingestellt. Heute fungieren sie als kulturelle, gesellschaftliche und auch politische
(Bild-)Zeugnisse ihrer jeweiligen Entstehungszeit.

Mehr Informationen unter www.museum.wasserburg.de