Für die neue Sonderausstellung des Museums Wasserburg – Die Reinlichkeit betreffend! Vom früheren Umgang mit der Hygiene –, die vom 8.3. bis 1.7.2018 gezeigt wird, wurden unsere Archivbestände durchforstet. In den kommenden Monaten wollen wir die Ausstellung mit dieser Serie begleiten. Einige Archivalien, die wir hier vorstellen, können auch im Original in der Ausstellung besichtigt werden, die das Museum gestaltet hat!
Vor der Kanalisierung der Stadt Wasserburg
Lösungen zum Problem der Abtritte
Bevor Ende des 19. Jahrhunderts damit begonnen worden ist, ein leistungsfähiges System von Abwasserkanälen für die gesamte Altstadt zu installieren, hatte es zur Mitte des Jahrhunderts nur vier einzelne Kanalstränge gegeben. Diese entwässerten jeweils einzelne Straßenzüge und leiteten deren Abwasser dem Inn zu. Diese frühen Kanäle wiesen undichte Sohlen und Wände auf. Abwasser konnte daher austreten und den Boden unter der Altstadt verunreinigen. Für die übrigen Stadtbereiche, die Mitte des 19. Jahrhunderts noch gar nicht an den Kanal angeschlossen waren, gab es zwischen den Außenmauern der Altstadthäuser eine enge Reihe mit einer Breite bis zu zwei Metern. In solchen befanden sich auf Straßenniveau Gruben, in welche sämtliche Hausabwässer eingeleitet worden sind. Jedoch funktionierte die notwendige Entleerung der Gruben nicht immer. Es konnte sein, dass Versitzgruben überliefen und ihren Inhalt den offenen Rinnen mitteilten, welche der Straßenentwässerung zu dienen hatten. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Unrats ist im Boden versickert. Wo die damals dürftigen Abwasserkanäle nicht hinreichten und wo auch Gruben, Tonnen oder Auffangkübel nicht vorhanden gewesen sind, wurde das Abwasser ohnehin über offene Rinnen entsorgt.1
Aus mehreren Verfügungen des Bezirksamtes Wasserburg der 1860er Jahre wird in diesem Zusammenhang deutlich, dass der Staat die Umsetzung seiner Vorgaben zur Gesundheits- und Reinlichkeitspolizei gegenüber dem Magistrat einfordern musste. Des Öfteren wird die Stadt Wasserburg in diesen Jahren erinnert, die Straßenreinigung regelmäßig durchzuführen und den Unrath von den Straßen zu entfernen.2
Hier werden die Korrespondenzen bezüglich der Wasserburger Abtritte (sprachlich eine Variante des Austretens) vorgestellt:
In der Folge des Gutachtens sind zwar sowohl (gemeinschaftliche) Abtrittsammelgruben, Tonnen und Kübelsysteme eingerichtet worden. Jedoch wurde zunächst auch weiterhin toleriert, dass Abtrittsrohre direkt in die Reihe mündeten. Aus dem Juli 1869 ist ein Cirkular erhalten, welches die Anwohner verpflichtete, die Reihen regelmäßig (spätestens alle acht Tage) selbst zu reinigen. Die u.a. in diesem Zusammenhang aufgestellten Hauserfassungen zum Vermerk der verwendeten Systeme zeigen, dass das Auffangen in Gruben, Tonnen und Kübeln nach und nach für immer mehr Wasserburger Gebäude umgesetzt werden konnte. Der Forderung des Bezirksarztes, die Leerung sachgemäß in fachkundige Hände zu geben, kam man jedoch offensichtlich nicht nach. In den Hauserfassungen ist auch erfasst, ob die Leerung vom Magistrat oder durch die Bewohner selbst besorgt wurde. Mehrheitlich wurde (wohl aus Kostengründen) selbst geleert.6
Matthias Haupt
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Literatur und Archivquellen:
1) Vgl. Ludwig Scheidacher, Ohne Wasser und Strom geht gar nichts. Die Geschichte der städtischen Versorgungsbetriebe in Wasserburg a. Inn (Heimat am Inn 22/23), 2004.
2) StadtA Wasserburg a. Inn, II1182 (=II. Alte Registratur, Akten, Stadtmagistrat Wasserburg: Straßenreinlichkeit, 1862-1874).
3) Verfügung des königlichen Bezirksgerichtsarztes an den Stadtmagistrat, Maßregeln gegen die Cholera, hier die Entfernung der Abtritte auf die Straßen, 2.12.1863, StadtA Wasserburg a. Inn, II1182.
4) (wie Anmerkung 2).
5) (Abschrift eines) Behördenschreibens, Der königliche Bezirksgerichtsarzt an das königliche Bezirksamt Wasserburg, Die Reinlichkeit in den Straßen der Stadt Wasserburg, hier die Entfernung der Abtritte aus den Reihen betreffend, 2.7.1868, StadtA Wasserburg a. Inn, II1182.
6) (wie Anmerkung 2).